Barbados
Seit meiner Jugend verbinde ich mit Barbados den gleichnamigen Apfelkuchen aus dem Kochbuch der Borgholzhäuser Landfrauen. Ob von ihnen mal jemand hier war? Vermutlich war es eher ein kreativer Moment am häuslichen Küchentisch, der dem Kuchen mit geriebenen Äpfeln und Kokosraspeln einen exotischen Namen verpassen sollte.
Seit unserer ersten Atlantiküberquerung verbinden wir mit Barbados ganz andere Dinge. Der lange Sandstrand der Carlisle Bay, das türkisblaue Wasser mit schwarzbraunen Rennpferden, die mit ihren Trainern eine Runde um unser Boot schwimmen und die freundlichen Menschen.
Hinter dem Strand befindet sich Bridgetown, die größte Stadt der Insel mit Einkaufsmöglichkeiten, Restaurants und Strandcafés. Leider ist dies scheinbar nur in Kombination mit einigen Dingen zu haben, die wir Segler so gar nicht mehr gewohnt sind: stinkender Autoverkehr, riesige Kreuzfahrtschiffen, die ihre Menschenmassen ausspucken, Touristen auf Jet-Ski, die in unglaublicher Geschwindigkeit möglichst nah das Boot umkreisen und DJ’s, die in der Standbar bis halb fünf morgens in einer unerträglichen Lautstärke Gangster-Rapp spielen.
Dies hat uns in den Norden von Barbados nach Port St. Charles flüchten lassen. Hier geht es sehr viel ruhiger zu. Der örtliche Fishermans Pub bietet mittags preiswerte lokale Gerichte an und hat abends ab und an Live-Musik. Leider ist der Ankerplatz nicht ganz so geschützt.Foto: Barry Perrins
Auch wenn der Skipper noch sehr entspannt aussieht, wird es Zeit den Anker zu lichten.Foto: Barry Perrins
Martinique
In unserer Erinnerung war Martinique im Vergleich zu den anderen Inseln eher unspektakulär. Vielleicht liegt es daran, dass es Europa ist. Wenn man aber von einem armen Land aus über den Ozean segelt und auf einer Insel landet, wo sich alle von Burgern und pappigem Weißbrot ernähren, kommt irgendwann ein fast unbezähmbarer Heißhunger auf Baguette, Croissants, Salami, Schinken, Steaks und Ziegenkäse auf, den man am besten auf den französischen Inseln befriedigen kann.
Le Marin ist der beste Ort in der Karibik, um Ersatzteile zu bekommen und Arbeiten am Boot machen zu lassen. Zum Glück war das nicht notwendig und wir konnten vor Anker in der riesigen Bucht vor St. Anne bleiben.
In dem kleinen Städtchen bekommt man fast alles, was man zum Leben braucht. Sonntags ist „Tanztee“ mit einer örtlichen Band und wechselnden Sängern, vom Chef bis zum amerikanischen Rentner ist alles vertreten.
Der günstige Supermarkt mit dem besten Angebot ist allerdings in Le Marin. Mit dem Dinghy dauert die Anfahrt etwa eine Stunde und wir sind beide nass bis auf die Unterhose. Von anderen Seglern lernen wir wie man zu zweit hintereinander im Dinghy steht und mit dem Körpergewicht lenkt. Das sieht cool aus und lässt nur die Beine nass werden. Nun ja, wenn das Dinghy unter dem Gewicht der Einkäufe fast untergeht und man breitbeinig versucht seine Füße irgendwo zwischen den Taschen zu platzieren, sieht es vielleicht nicht mehr ganz so cool aus…
Bequia
Für die Etappe von St. Anne nach Bequia haben wir knapp 24 Stunden geplant. Hinter den Inseln ist die Atlantikwelle abgeschwächt und der gleichmäßige Wind verspricht angenehmes Karibiksegeln wie im Bilderbuch. Genau so war es auch bis wir in die Windabdeckung hinter St. Vincent kamen. Hier ging irgendwann nichts mehr, die Geschwindigkeit ging auf 1 kn runter und die Segel fingen an zu schlagen. Schade, da waren wir wohl etwas zu nah an der Insel vorbeigefahren…
Auch nach einer halben Stunde kam der Wind nicht wieder und wir haben beschlossen zu motoren. Aber was ist das? Nach zehn Minuten gibt der Motor seltsame Klappergeräusche von sich und läuft unrund. Sofort Motor aus! Optisch ist rein gar nichts ungewöhnliches zu sehen. Also ein neuer Versuch, um zu erkennen, was da klappert. Es klingt wie ein Relais oder ein Schalter, der wie wild hin und her schaltet. Dann geht der Motor aus und lässt sich nicht mehr starten. Das Instrumentenpanel gibt kein Lebenszeichen mehr von sich.
So ein Mist. Unser alter Motor hätte in diesem Fall kurzgeschlossen werden können, aber bei der neuen Variante gibt es eine Blackbox mit jeder Menge Elektronik, die alles regelt. Oder auch nicht, wie in unserem Fall. Leider hatten wir keine Schaltpläne oder Beschreibungen hiervon an Bord.
Barry war mit seiner White Shadow ca. 1,5 Stunden vor uns und hat uns netterweise angeboten, uns nach Bequia zu schleppen. Das Abschleppmanöver war aufregend. Beim Übergeben der Leine waren wir komplett manövierunfähig, da wir ohne Wind keine Geschwindigkeit hatten. Barry musste extrem nah an uns heranfahren, die Leine übernehmen und schnell wieder Abstand gewinnen, ohne dass die Leine steif kommt. Super schwierig, wenn man alleine an Bord ist! Er hat seine Kamera mitlaufen lassen und man sieht seinem Gesicht an, wie angespannt er ist.Foto: Barry Perrins
Foto: Barry Perrins
Foto: Barry Perrins
Das komplette Video wird bald auf YouTube unter Barry Perrins zu finden sein.
In dieser Schleppkonstellation bei Flaute hatten wir eine Geschwindigkeit von etwa zwei Knoten. Bei einer Distanz von 12 Seemeilen und 6 Stunden bis zum Sonnenuntergang, hätte es gerade noch gelingen können, bei Tageslicht anzukommen. Doch nach einer halben Stunde kam Wind auf (genau auf der Nase) und die Geschwindigkeit nahm ab. Das machte keinen Sinn mehr. Wir haben die Verbindung getrennt und sind unabhängig voneinander weiter gesegelt. Der Wind nahm zu und die Strömung zwischen St. Vincent und Bequia machte es unmöglich, direkt auf unser Ziel zuzuhalten. Was tun? Wir waren alle drei komplett fertig, hatten den ganzen Tag nichts außer ein paar Keksen gegessen, waren von der Sonne verbrannt und wollten nur noch schlafen. Ein erneutes Schleppmanöver bei Dunkelheit war komplett ausgeschlossen. Sollte Barry bei Dunkelheit alleine in einer fremden Ankerbucht ankern? Sollten wir unser erstes Ankermanöver unter Segeln im Dunkeln versuchen? Letzendlich haben wir uns alle drei entschieden eine weitere Nacht auf See zu verbringen.
Bei Tageslicht sah die Welt schon anders aus, nur Windrichtung und Strömung blieben gleich. Fünf Stunden nach Sonnenaufgang ist es uns gelungen, unter Segeln in die Ankerbucht zu kommen. Unser erstes Ankermanöver unter Segeln hat erstaunlich gut funktioniert und der Anker hält!
Bei Barry sah das anders aus. Er ist schlafen gegangen und dabei weit abgetrieben. Wir hatten keinen Funkkontakt mehr und konnten ihn nicht mehr auf dem AIS erkennen. Wir haben uns große Sorgen und Vorwürfe gemacht. Es wäre im Nachhinein besser gewesen, uns nicht abschleppen zu lassen. Für uns ist die Situation viel einfacher, denn immerhin sind wir zu zweit. Jede Stunde haben wir über Funk nach ihm gerufen, aber keine Antwort…
Matthias hat die Zeit genutzt, sich mit der Motor-Elektrik zu beschäftigen. Unser VolvoPenta Spezialist in Köln hat uns per Email und Telefon super nett mit allen Infos versorgt, die er brauchte. Irgendwann war klar, wenn man die Elektronik komplett abklemmt, sollte es möglich sein, den Motor kurzzuschließen. Ein aufregender Moment, aber es hat geklappt! Uns ist ein riesiger Stein vom Herzen gefallen. Falls der Anker nicht halten sollte, würden wir ab sofort wieder den Motor starten können und müssten nicht unter Segeln Ankerauf gehen.
Nach einer weiteren Nacht gab es am nächsten Tag auf Marine Traffic im Internet endlich eine aktuelle Position von Barry auf der White Shadow. Der nächste Stein, der uns vom Herzen fiel. Barry kam völlig platt bei Sonnenuntergang an. Das alles wegen uns. Aber wir waren so froh, ihn wieder sicher in unserer Nähe zu wissen und nach einem vernünftigen Abendessen hatte er auch sein Grinsen und den britischen Humor wieder!
Matthias hat die Übergangslösung zum Starten des Motors weiter professionalisiert. Jetzt gibt es im Motorraum einen Schalter mit dem wir starten können und wir können uns in Ruhe um die Neubeschaffung des defekten Steuergerätes kümmern und das schöne Bequia genießen.