Der Pazifik ist der größte Ozean unserer Erde und bedeckt 28% der kompletten Erdoberfläche. Es gibt insgesamt fast 30.000 Inseln im Pazifik. Wir haben uns als Ziel die Marquesas ausgesucht, ein Archipel mit 14 vulkanischen Inseln, die zu französisch Polynesien gehören und ziemlich genau in der Mitte dieser riesigen Wasserfläche liegen.Aber wir sind nicht die Einzigen. Auf MarineTraffic kann man die Position aller Schiffe, die mit einem AIS Sender ausgestattet sind, im Internet nachsehen. Das Bild zeigt die Situation am 11.05.2019. Die pinkfarbenen Dreiecke sind die Segler, alle anderen sind Fähren, Tanker, Fischerboote… Die Segler folgen größtenteils der „klassischen Route“, die früher die Handelsschiffe genommen haben, immer schön mit Wind und Strom gen Westen. Es sieht fast so aus als könnte man von Schiff zu Schiff übers Wasser marschieren. Aber das täuscht gewaltig. Die Schiffssymbole sind überdimensional riesig gewählt, damit sie überhaupt erkennbar sind.
Als wir am 1. Juni in Ecuador losgesegelt sind, war auf dem ersten Stück bis zu den Galapagosinseln moderater bis leichter Wind vorhergesagt, anschliessend waren stärkere Passatwinde angekündigt. Die besten Bedingungen waren zu erwarten, wenn wir uns nördlich des direkten Weges, aber südlich vom Äquator bewegen würden.
In der ersten Nacht hatten wir 20 Knoten Wind. Nicht ganz so leicht und moderat wie wir es uns für die erste Nacht gewünscht hätten. In den ersten Tagen auf See haben wir immer ein bisschen mit leichten Symptomen von Seekrankheit zu kämpfen, wie Appetitlosigkeit und Kopfschmerzen, deshalb freuen wir uns immer wenn wir möglichst angenehme Bedingungen am Anfang einer langen Passage haben. Außerdem kreisen die Gedanken: Wird das Boot durchhalten? Haben wir alles kontrolliert? Haben wir irgendetwas vergessen? Haben wir genug zu Essen an Bord? … und wir müssen uns erst wieder an die Geräusche gewöhnen, die BELLA unter Fahrt macht.
Schon nach der ersten Nacht ging der Wind ging zurück, aber der Strom war mit uns. Wir sind am fünften Tag südlich an Galapagos vorbei gesegelt, hatten aber insgesamt eher wenig Wind und kamen langsam vorwärts. Unser Kühlschrank (oder vielmehr das Thermostat) hat bei der Wackelei auf See mal wieder seinen Dienst quittiert und wir mussten ihn wie schon auf der Passage nach Ecuador alle 20 Minuten (Tag und Nacht) von Hand ein- und ausschalten.
Nach 11 Tagen auf See hatten wir ein Drittel der Strecke hinter uns. Immer wieder sind wir begeistert von den Sonnenuntergängen.Am 13. Tag werden die Wellen höher, leider ist es keine lang gestreckte Welle, sondern ein chaotisches Wellenbild. Alles in den Schränken fliegt von einer Ecke in die andere. Bella macht das erstaunlich gut, das Deck bleibt fast trocken, aber uns geht die Wackelei mächtig auf die Nerven. Wir haben versucht den Bereich mit der stärksten Strömung in Richtung Westen für uns zu nutzen, er lag auf etwa 5° Süd und ist im Bild mit orange/rot eingezeichnet.So kommen wir mit ordentlich Wind und Welle gut voran. Das Boot und die Windfahne machen alles mit Bravour, auch die Böen von bis zu 30 Knoten, die wir immer mal wieder zu sehen kriegen. Nur das frische Obst geht langsam zur Neige. Meistens sind wir eher faul, was das Kochen angeht. Konserven mögen wir nicht besonders gerne, so gibt es oft Pasta mit selbst eingekochter Bolognese, Ratatouille oder Peperonata.
Ab dem 15. Tag geht der Wind etwas zurück, die Welle wird angenehmer und bei 18-20 Knoten scheinbarem Wind halten wir immer noch unseren gewünschten Schnitt von 5 Knoten. Manchmal stand der Mond sogar bei Sonnenaufgang noch am Himmel.Am 16. Tag haben wir Bergfest! Obwohl alles gut läuft, schauen wir ständig nach wie weit es wohl noch ist. Wir haben einfach keine Lust mehr auf die Wackelei und denken ständig ans Ankommen.Ein frischer Fisch ist immer ein kulinarisches Highlight auf See. Umso größer ist der Frust, wenn es mal nicht gelingt. Ein schöner Mahi Mahi ist beim Einholen vom Haken gesprungen, ein Köder wurde abgebissen und ein Bonito ist vom Haken gesprungen. So viel Pech an zwei Tagen hatten wir noch nie!
Auf dem AIS taucht plötzlich mitten auf dem Pazifik das Segelboot KUTA im Abstand von 5 Meilen neben uns auf. Über Funk erreichen wir niemanden, aber am nächsten Tag meldet sich Venu bei uns. Er ist Inder, hat lange in den USA gelebt, und hat sich dann überlegt, einhand von den USA in seine ursprüngliche Heimat zu segeln. Wir tauschten täglich über E-Mail unsere Positionen aus und lernten ihn später in Hiva Oa persönlich kennen. So ganz allein waren wir also doch nicht da draußen…Am 22. Tag lagen noch 1000 Meilen vor uns und wir hatten das Gefühl, fast angekommen zu sein. Am 24. Tag haben wir die Autobahn mit der schönen Strömung verlassen und sind nach Südwesten Kurs Hiva Oa gesegelt. Täglich wurde der Wind weniger, was uns eine Menge Geduld abforderte, gleichzeitig schien es jeden Tag wärmer zu werden. Unter Deck hatten wir kurz vor unserer Abfahrt in Ecuador noch eine neue Seekoje gebaut. Die Sitzbank kann bis zum Tisch hin verbreitert werden. Durch den Tisch haben wir nun eine Abstützung zu beiden Seiten hin, egal auf welchem Bug wir segeln. Nach 28 Tagen auf See war der Wind komplett eingeschlafen, wir hatten keine Geduld mehr uns treiben zu lassen und sind über Nacht 20 Stunden motort. Am nächsten Tag schaukelten wir bei wenig Wind wieder munter unter Segeln weiter. Um uns herum waren jede Menge AIS Signale aufgetaucht, aber es waren keine Schiffe zu sehen. Wir vermuten, es waren Markierungen für riesige Fischernetze. Zum Glück hingen sie so tief, dass sie uns nichts anhaben konnten.
Matthias hat konsequent seine Übersicht aktualisiert, sobald wir weitere 5% der Strecke geschafft hatten. In der 30. Nacht war es dann endgültig vorbei mit dem Wind. Die Hochrechnung hatte ergeben, dass wir genug Dieselvorräte an Bord hatten, um den Rest der Strecke zu motoren. Also nichts wie los.Am 4. Juli morgens um 8 Uhr wurden wir in der Bucht von Atuona auf Hiva Oa von einem Schwarm Delfine umkreist als wir das Großsegel geborgen haben. Kurz vor der Hafeneinfahrt haben wir James von der MOONRISE angefunkt, mit der Bitte uns beim Ankern zu helfen. „Ich bin schon hier, ich dachte die Deutschen sind bestimmt pünktlich. Ihr könnt mich in meinem kleinen Ruder-Dinghy zwischen den hohen Wellen nur nicht sehen.“ kam es zurück. Er hat uns in die kleine Bucht hinter den Wellenbrecher dirigiert und mit seinem Ruderbötchen den Heckanker ausgebracht, weil unser Dinghy noch nicht aufgeblasen war. Die Ankerbucht in Atuona ist so klein, dass aus Platzgründen alle Boote parallel mit Bug- und Heckanker nebeneinander liegen.
Zum gemeinsamen Frühstück auf BELLA hat James uns frische Mangos und echten französischen Brie mitgebracht. Was für eine schöne Begrüßung nach 33 Tagen auf See!
In den Tuamotus und Tahiti hat es zu dieser Zeit südlich starke Stürme gegeben. Obwohl es weit weg ist, waren die extremen Wellen bis nach Hiva Oa zu spüren und sind genau in unsere Ankerbucht gelaufen. Da hätten wir uns auf See noch sicherer gefühlt. Als ich mit James kurz an Land war, um eine Nachricht an unsere Familien zu senden, war Matthias mit laufendem Motor an Bord geblieben und hatte bei jeder Welle Angst, auf die Steine gedrückt zu werden. Anschließend haben wir mehrmals umgeankert, in der ersten Nacht abwechselnd Ankerwache gemacht und dann endlich mal zwei Nächte (bis auf einige Fehlalarme des Ankeralarms) entspannt geschlafen! Sogar der Kühlschrank lief vor Anker wieder absolut normal und hat uns nicht mehr alle 20 Minuten geweckt. Irgendjemand hat neulich behauptet, wir würden seit Jahren Urlaub machen. Von wegen!
direkte Strecke von Bahia nach Hiva Oa: 3.565 Seemeilen (Großkreis)
BELLAs gesegelte Meilen: 3.697 Seemeilen
Dauer insgesamt: 796,5 Stunden
davon Nachtwachen: 398 Stunden
davon unter Segeln: 719,5 Stunden
davon unter Motor: 77 Stunden
zusätzliche Motorstunden zum Batterieladen: 9,5 Stunden
Verbrauch Diesel: 150 Liter
gefangene Fische: 6 Mahi Mahi, 1 Yellow Fin Tuna, 1 Bonito
Kühlschrankein- und ausschalten: ca. 2.000 Schaltvorgänge
Schiffsbegegnungen: 3, davon 1 Segler
Trinkwasser: der Wassermacher hat uns mit ca. 300 Litern Frischwasser versorgt
Strom: bis auf drei Tage hatten wir immer genug Strom durch Sonne und Wind für Wassermacher, Kühlschrank, Navigationsinstrumente, Licht, iPad, usw.
Windgeschwindigkeiten, jeweils gegen 12 Uhr Bordzeit:
Etmale (Seemeilen pro 24 Stunden):