Bella

Segeln im Orca-Gebiet

Die Überquerung der Biskaya war die erste längere Segelstrecke auf unserer neuen BELLA, gut 300 Seemeilen (600km) von Camaret sur Mer in Frankreich nach Viveiro in Nordspanien.

Gleichzeitig war es für uns der Einstieg ins Orcagebiet. Seit 2020 beschäftigt die Seglerwelt ein neues Phänomen. Zwischen Galizien und Gibraltar beißen Tiere der „Orca Iberica“ gezielt in die Ruderblätter von Segelbooten und zerstören sie nach Möglichkeit. Insgesamt sind mehr als 500 solcher Interaktionen bekannt, viele Boote sind beschädigt und vier davon gesunken. Menschen kamen bisher zum Glück nicht zu schaden.
Es sind nur einige wenige Tiere, die dieses ungewöhnliche Verhalten an den Tag legen und immer dem roten Thunfisch hinterher an der Atlantikküste entlang ziehen. Im Internet verfolgten wir, wo die letzten Interaktionen und Sichtungen stattgefunden hatten.

Für unsere Reise haben wir beschlossen, unser Schiff und uns bestmöglich zu schützen, indem wir einen WAL-PAL angeschafft haben. Es ist ein kleines Gerät, welches hinter dem Boot her geschleppt wird. Es schützt Ruder und Boot, indem es nach vorne akustische Signale aussendet. Ein ähnliches Gerät wird in der Ostsee erfolgreich eingesetzt, um den Beifang von Schweinswalen (sind mit Delfinen verwandt) zu vermeiden. Orcas gehören ebenfalls zur Familie der Delfine, also wurde das Gerät entsprechend modifiziert, sodass es am Heck von Segelbooten befestigt und geschleppt werden kann.

Wir sind früh morgens in Camaret-sur-Mer gestartet, in der Hoffnung zwei Tage später im Hellen in Viveiro anzukommen. Ausserdem hat uns der Gezeitenstrom morgens noch ein bisschen unterstützt. In der Vorhersage war eher wenig Wind angekündigt, aber die neue Bella hat auch bei wenig Wind eine schöne Durchschnittsgeschwindigkeit von sechs Knoten hingelegt. Das war Segeln ganz nach unserem Geschmack!

Je näher wir der spanischen Küste kamen, desto mehr nahmen Wind und Welle zu. Auf den Weltkarten kann man gut sehen, wie der Meeresboden in der Biskaya plötzlich ansteigt. Die Wellen, die vom Atlantik angerollt kommen, können hier recht unangenehm werden.

Unser WAL-PAL hat einen integrierten Paravan-Schwimmer, der ihn bei Geschwindigkeiten von 5-8 Knoten auf einer optimalen Wassertiefe hält. Bei zunehmendem Wind sind wir teilweise mit über 9 Knoten die Welle herunter gerauscht und sahen den Wal-Pal immer wieder aus dem Wasser hüpfen. Deshalb haben wir in den letzten 12 Stunden der Biskaya-Überquerung versucht, Bella soweit zu bremsen, sodass wir auch in der Welle unter 8 Knoten blieben. Nicht so einfach, denn wenn die Gute läuft, dann läuft sie und langsam segeln bei zu viel Welle wird ungemütlich.

Kurz vor der spanischen Mittagspause kamen wir am übernächsten Tag in der Marina von Viveiro an. Wir kannten den Ort bereits von unserer zweiten Reise und hatten das Bild der Tapas-Bars in den kleinen Gassen der Altstadt immer im Kopf, wenn wir an Galizien dachten.

Die Marina in Viveiro ist nicht besonders hübsch, also haben wir uns auf den kostenlosen Ankerplatz in der Bucht von Viveiro verholt.
Was für ein Unterschied! Keine Nachbarn, die schon auf uns zustürzen bevor das Boot richtig vertäut ist und fragen, ob wir einen Orca gesehen hätten.

Neben uns lagen die Boote MAALIE und NAOS mit netten jungen Leuten, die herrlich erfrischend waren. Da ging ein Spieleabend schon mal bis halb zwei morgens und für die Angler gab es das erste Bier schon morgens im Schlauchboot.

In der Ankerbucht von Viveiro konnte der Wind ganz schön heftig werden, wenn er von den Bergen hinunter geschossen kam.

Leider hat dies der Anker des Bootes vor uns nicht mitgemacht und es kam direkt auf Bella zugetrieben, ohne dass jemanden an Bord war. Es ist mir gelungen, das andere Boot zur Seite zu stoßen, trotzdem hat es uns mit einer scharfen Kante der Windsteueranlage erwischt und einen Kratzer im Rumpf am Bug hinterlassen.

Zum Glück hatte sich der Anker des rutschenden Bootes nicht in Bellas Kette verfangen. Während ich mit laufendem Motor Bellas Position beobachtete, um sicher zu sein, dass sich unser Anker bei der Aktion nicht gelöst hatte, saß Matthias im Dinghy und hat mit unseren jungen Freunden das treibende Boot gesichert. Sie waren mit drei Dinghys unterwegs, um es zu drücken und zu bremsen. Es ist ihnen nicht gelungen, den Motor zu starten, aber immerhin konnten sie mehr Kette geben. Ein Notruf auf Kanal 16 war nutzlos, weil die Beamten nicht genug Englisch sprachen, um das Problem zu verstehen. Per Telefon habe ich jemanden aus der Marina verständigt und gebeten, nach dem Boot zu sehen. Als sie ankamen, war es der Dinghy-Truppe schon gelungen, den Anker weit hinter uns aber noch vor dem Wellenbrecher zum Halten zu bekommen. Wenig später kam der Besitzer zurück und konnte sich selbst um sein Boot kümmern.

Das driftende Boot lag nun weit hinter uns.

Die Galizische Küste mit ihren fjordähnlichen Rias ist einfach herrlich, sie hatte es uns bei jeder Reise immer wieder angetan.

Leider war das Segeln hier diesmal anders. Die Orcas waren in unseren Köpfen immer präsent. Jeder Tag begann mit einem Blick auf die entsprechenden Apps, die uns verrieten, wo genau die letzten Interaktionen von Orcas mit Segelbooten stattgefunden hatten.

Statt den besten Segelwind zu nutzen, warteten wir auf Flaute, um unter Motor möglichst dicht unter der Küste lang zu fahren. Die Empfehlung war sich auf der 20m Tiefenlinie zu halten. Also genau dort, wo die Fischer ihre zum Teil schlecht gekennzeichneten Netze auslegen und die Welle am unangenehmsten war. Hier sind nun die Segler wie an der Perlenkette die Küste entlang motort.

Immerwieder verschwindet MAALIE im Wellental.

Innerhalb der Rias haben wir den Wal-Pal eingeholt und schon kamen die Delfine.

Ein einsamer Delfin scheint am Ankerplatz in Portosin zu leben. Er freut sich über jedes ankommende Boot, kratzt sich an der Ankerkette und schien uns genauso neugierig zu beobachten wie wir ihn. Die Crew der NAOS hat sich in Wasser getraut und mit ihm gespielt bis es ihnen zu unheimlich wurde, weil er zu viel körperliche Nähe gesucht hat.

Bella, Maalie und Naos blieben am Ankerplatz während wir mit dem Bus zur Stadtbesichtigung nach Santiago de Compostella fuhren.

Santiago de Compostelle war unbedingt eine Reise wert, auch wenn es fast den ganzen Tag regnete. Hier ein paar Impressionen.