Nach einer schönen Segelsaison in Jamaica, Kuba und Mexiko wurde es Zeit, weiter Richtung Süden zu ziehen, um den Hurrikan-Gürtel zu verlassen. Unser nächstes Ziel war die kleine Insel Providencia vor der Küste Nicaraguas. Vor uns lagen 600 Seemeilen (1.100 km) gegen Wind und Welle. Wir haben leichten Südwind abgewartet und sind zunächst Richtung Osten gesegelt, um den Bereich mit der stärksten Strömung zu queren. Kurz vor der kubanischen Küste drehte der Wind etwas Richtung Osten und wir konnten die Cayman Inseln ansteuern.
Windstärke und Windrichtung können wir inzwischen ganz gut einschätzen, bei der Strömung ist das anders. Wie von Geisterhand scheint BELLA sich plötzlich nicht mehr geradeaus, sondern seitwärts zu bewegen. Die Wassermassen aus dem karibischen Becken strömen Richtung Norden, werden dort durch den schmalen Kanal zwischen Cancun und Kuba gedrückt und dabei enorm beschleunigt. Ein weiterer spannender Faktor sind „Unterwassergebirge“. Auch hier müssen die Wassermassen irgendwie durch. Es entstehen Strudel, das Wasser wird kabbelig, hinter den „Bergen“ tauchen Teppiche von Seegras (und leider auch Müll) auf, weil hier das Wasser plötzlich still zu stehen scheint. Alles in allem war unsere Etappe „gegen Wind und Welle“ jedoch nicht so schlimm wie wir befürchtet hatten. Bis zu den Cayman Inseln hielt das Wetter was die Vorhersage versprach.
Als wir in der Ansteuerung von Grand Cayman waren, lagen dort gerade fünf große Kreuzfahrtschiffe im Ankerfeld und ein Squall mit viel Regen und schlechter Sicht empfing uns. Über Funk meldeten wir uns bei der Küstenwache an und erfuhren, dass drei Kreuzfahrtschiffe jetzt Anker auf gehen würden. Na super! Und wir mitten drin, ohne Sicht, bis auf die Unterhose durchnässt auf der Suche nach den Mooringbojen für die Segler. Irgendwann kam ein Boot mit Blaulicht auf uns zu. Oh no! Bitte jetzt nicht noch jemand, der meint im strömenden Regen die Papiere kontrollieren zu müssen. In diesem Fall war es ein Boot, was für die Sicherheit im Hafengebiet zuständig war. Sie forderten uns auf, Ihnen einfach zu folgen, um an eine freie Mooringboje zu kommen. Als BELLA dort festgemacht war, wurden wir zum Einklarieren an Land gebracht. Na, das ist ja mal ein Service! Peinlich, dass wir nicht mal mehr Zeit hatten unsere Haare zu trocknen. Kosten fürs Einklarieren fielen nicht an und für den Rücktransport zum Boot mussten wir nur kurz Bescheid sagen. So läuft das auf Inseln, die Geld haben. Man wird höflich willkommen geheißen und das ganze Prozedere dauert gerade mal eine Stunde.
Auch für die Kreuzfahrt-Touristen gibt es einen netten Service, sie werden mit dem Bus an Land gebracht.
In der Zwischenzeit hatte sich die Wettervorhersage für die Weiterfahrt geändert. Mehr Wind direkt auf die Nase. Also blieben wir noch ein paar Tage länger.
Die Strecke nach Providencia führt durch einige Untiefen, durch die man sich hangeln muss. Auf dieser Strecke wurde zwei Wochen vorher ein Segler von einem Boot „verfolgt“, war aber schnell genug, um zu entkommen. Zwei Monate vorher hatte es hier einen bewaffneten Raubüberfall gegeben. Piraterie vor der Küste Honduras. Vermutlich nehmen Drogenschmuggler diesen Weg und ziehen weitere Kriminelle an. Wenn dann ein Segler mit teurer Elektronik und etwas Bargeld an Bord vorbei kommt, scheint das ein gern gesehener Beifang zu sein.
So was ist nichts für uns und wir entschieden uns für einen Umweg, um 100 Seemeilen Abstand zur Küste zu haben. Auch hier gibt es Untiefen und man kann sich nur in einer quasi vorgegebenen „Fahrrinne“ bewegen, aber von hier waren zumindest keine Überfälle bekannt. Einziger großer Nachteil: wir mussten fast einen Tag lang gegen den (zum Glück schwachen) Wind motoren, um dort hinzukommen. Es war Nacht als wir durch die Fahrrinne fuhren. Wir haben alle Positionsleuchten und unseren AIS Sender ausgeschaltet, BELLA war quasi unsichtbar. Plötzlich tauchte vor uns ein Licht auf, 5 Seemeilen entfernt, kein AIS Signal. Vermutlich ein Fischer. Aber wenn nicht? Piraten? Ausweichen oder umkehren ging nicht, also mussten wir da durch und das am besten ungesehen. Schnell haben wir das Display des Seekarten-Plotters abgedeckt und sind weiter gefahren. Die nächsten Meilen kamen uns vor wie Stunden. Aber das Licht blieb wo es war und wir sind still und heimlich im Abstand von einer Meile vorbei gesegelt.