Bella

Panama-Kanal

Auch wenn die San Blas Inseln ein echtes Highlight waren und die Menschen in Panama sehr nett sind, ist es doch nicht unser Lieblingsland geworden. Das feuchte Klima mit Stockflecken an den Wänden im Boot und müffelnden Klamotten im Kleiderschrank ist uns schon sehr auf die Nerven gegangen. Die Zahl der Gewitter ging zwar ab Oktober leicht zurück, hat uns aber trotzdem in vielen Nächten den Schlaf geraubt.

So haben wir beschlossen früher als viele andere in der Saison auf die Pazifikseite Panamas zu wechseln, was bedeutet durch den Panama Kanal zu gehen.

Jeder hat seine eigenen Bilder vom Panama Kanal im Kopf. Ich hatte mir einen Kanal wie in Deutschland vorgestellt, nur viel größer mit riesigen Schleusenkammern und vielen großen Frachtern auf engstem Raum. Davon stimmt jedoch nur das mit den Schleusenkammern, denn der größte Teil des Panama Kanals ist ein Stausee. Durch einen 800m langen Staudamm wird der Chagres Fluss gestaut und es entsteht der riesige Gatun See, dessen betonnte Fahrrinne entlang des ehemaligen Flusslaufes so tief ausgebaggert wurde, dass sie problemlos von großen Schiffen befahrbar ist. 

Von Colon auf der karibischen Seite kommend, wird man erst durch drei hintereinander liegende Schleusen nach oben auf das Niveau des Gatun Sees geschleust, dann geht es unter Motor 30 Seemeilen (etwa 55 km) durch den See, bevor man zum Gaillard-Durchstich kommt, eine 13 km lange Schlucht, die in zehnjährigen Bauzeit in die Berge geschlagen wurde. In drei weiteren Schleusen werden dann die Schiffe wieder auf das Niveau des Pazifik herabgesenkt.

Die Vorschrift der Kanalbehörde besagt, dass Boote unserer Größe für die Schleusenmanöver vier Leinen von mindestens 50m Länge an Bord haben müssen, sowie vier Personen (Linehandler), die je eine der Leinen bedienen. Hinzu kommt der Skipper, der am Ruder steht und ein Lotse, der von der Kanalbehörde gestellt wird und alles unter Kontrolle hat. Sechs Personen auf unserer kleinen BELLA, so etwas hatte es bisher noch nie gegeben!

Als Linehandler hatten wir mit viel Glück kurzfristig Kim und Colin von der UMOYA und Bruce von der ALOHA FRIDAY engagieren können. Alle drei wollten nicht mit ihren eigenen Booten durch den Kanal fahren und waren froh, die Passage bei uns miterleben zu können. Dass es auf unserer kleinen Bella mit sechst Personen etwas eng werden würde, haben sie dafür gerne in Kauf genommen. Am ersten Tag der Passage haben wir uns mittags mit ihnen in der Shelter Bay Marina auf der karibischen Seite des Kanals getroffen und sind pünktlich, um 14.00 Uhr gestartet. Der einzig unpünktliche war der Lotse. Wir haben bei 24 Knoten Wind und Regen eine Stunde Kreise gedreht bis endlich das erwartete Lotsenboot auf uns zugeprescht kam. Eine weitere halbe Stunde hat es gedauert bis der Lotse beim dritten Anlauf den Sprung von seinem schwankenden Boot auf die schwankende BELLA wagte. Aber dann ging’s sofort los. „Wie schnell fährt das Boot? Vollgas Richtung Schleuse, bitte.“

BELLA sollte mit vier Landleinen geschleust werden. Hierfür musste Matthias zunächst die Steuerbordseite der Schleuseneinfahrt anfahren. 

Zwei Leinenhelfer an Land warfen uns Wurfleinen zu. Die beiden Linehandler auf BELLAs Steuerbordseite verbanden die Wurfleinen mit unseren 50m-Leinen. Anschließend steuerte Matthias die Backbordseite der immerhin 33,5 m breiten Schleuse an und das Leinenspiel wiederholte sich. BELLA fuhr in das eigentliche Schleusenbecken ein, die vier Personen an Land stapften mit dem Ende der Wurfleinen nebenher. Direkt hinter einem Schiff der US Küstenwache wurde aufgestoppt. Hier zogen die Landhelfer mit Hilfe der Wurfleinen unsere „50m-Trossen“ an Land und belegten sie auf den wuchtigen Pollern. Kaum festgemacht schlossen sich die riesigen Schleusentore und es begann um uns herum durch das einströmende Wasser heftig zu strudeln. Jetzt war es Aufgabe der vier Linehandler an Bord, BELLA mittig in der Schleuse zu halten. Alles ging rasend schnell und schon nach wenigen Minuten waren wir um 8m angehoben, hatten einen schönen Blick in Richtung Atlantik, aber leider keine Hand frei zum Fotografieren. Es ging sofort weiter. Die dicken Leinen wurden zurück an Bord geholt, nur die Verbindung über die Wurfleinen blieb bestehen. Während wir ins nächste Schleusenbecken fuhren, begleiteten uns die vier Landhelfer zu Fuß und der Schleusenvorgang wurde wiederholt. Alles kein Hexenwerk, wäre da nicht dieser eine Landleinenhelfer gewesen. Übergewichtig und unmotiviert stolperte er viel zu langsam hinter uns her, die Wurfleine verfing sich an einem Mauervorsprung ohne dass er etwas merkte. Schreien nützte nichts, bis die Leine riss und wir nur noch an drei Stellen mit dem Land verbunden waren. Der Lotse reagierte routiniert und schnell und befestigte einfach beide Steuerbordleinen an einer Wurfleine, sodass beide gemeinsam nach oben gezogen wurden.

Nach der dritten Schleuse wurden wir in den mittlerweile stockdunklen Gatunsee ausgespuckt. Der Lotse brachte uns zu einer großen Boje, die eigentlich für die Großschifffahrt gedacht ist, aber für eine Nacht unser Anleger sein sollte. Für sich selbst bestellte er ein Boot zur Abholung und wir hatten uns alle ein Anlegerbier (oder zwei) verdient.

Am nächsten Morgen begutachteten wir zunächst neugierig unsere Umgebung. Leider zeigte sich keines der hier lebenden Krokodile, aber in Sichtweite fuhren die großen Schiffe an uns vorbei. Als um acht Uhr der neue Lotse an Bord kam, ordneten wir uns in die Reihe der Boote ein, die dem ausgebaggerten Kanal des Gatunsees in Richtung Pazifik folgen und motorten bis mittags durch die grüne Landschaft. Für den geplanten Schleusengang um 12 Uhr waren wir nicht schnell genug und hatten erstmal Zeit für ein leckeres Mittagessen. 

Bei den großen Pötten übernehmen Lokomotiven die Aufgaben der Landleinenhelfer. 

Wir sollten gegen drei mit dem Frachter MOL Orca Ace geschleust werden. Das Leinen-Ritual kannten wir inzwischen ja alle bestens. Neu für uns war, dass beim Runterschleusen das große Schiff hinter uns in die Schleuse fuhr.

Mit etwas Abstand sah es spannend aus. Aber sie kamen immer, immer näher. Ich war schon froh, als der orange Mann im kleinen Fensterchen am Bug endlich das Zeichen zum Aufstoppen gab.

Der Dicke hinter uns schien das Panamax-Maß zu haben. Das ist die maximal zulässige Breite von exakt 32,3m, die gerade mal 61cm Luft an beiden Seiten zwischen Schiff und Schleusenkammer lässt.

Von oben sah das so aus:

Geschafft! Unser Lotse war sichtlich zufrieden mit seiner Crew. 

Nun ging es nur noch durch die Bridge of America und wir waren im Pazifik!!!! Anfangs hat man immer das Gefühl, die Brücke ist zu niedrig für unseren Mast. Aber nicht so hier, denn da passen auch die ganz Großen durch.