Bella

Atlantiküberquerung in 18 Tagen

Der Hafen in Mindelo entspricht nicht direkt dem Bild einer geschützten Ankerbucht, denn hier gibt es ständig Fallwinde mit einer Geschwindigkeit von 25-30 Knoten und ordentlich Schwell, der an Festmachern und Klampen reißt. Kaum hat man den Hafen verlassen, wird man von der Düse zwischen den Inseln Sao Vincente und Sao Antao empfangen. Der Wetterbericht hatte für unseren Abfahrtstag draußen auf dem Atlantik weniger Wind vorhergesagt als in Mindelo im Hafen und genauso war es auch. So war das Ablegen an unserem ersten Segeltag fast das Schwierigste.

Auf dem Atlantik hat uns der kräftige Wind der ersten Tage schön vorwärts gebracht. Wie immer sind wir am Anfang einer längeren Strecke besonders angespannt. Haben wir an alles gedacht? Wird das Boot gut durchhalten? Appetitlosigkeit und Kopfschmerzen sind dabei. Aber irgendwann stellt sich eine Bordroutine ein. Der Körper gewöhnt sich an den neuen Schlafrhythmus. Kurz nach Sonnenuntergang beginnen die Nachtschichten von jeweils drei Stunden, sodass wir nach Sonnenaufgang den neuen Tag mit einem gemeinsamen Kaffe beginnen. Anschließend wird über das Kurzwellenfunkgerät und das Pactormodem der neue Wetterbericht runtergeladen. Gleichzeitig haben wir mit PINTA und MOONRISE, die wenige Tage nach uns gestartet sind, Positionen und die aktuelle Wetterlage ausgetauscht. Die Tage vergehen irgendwie immer schneller als die Nächte. Kochen und spülen dauert bei der Schaukelei wesentlich länger als sonst. Meistens ist auch irgendjemand von uns tagsüber müde und braucht noch eine Mütze Schlaf. Matthias macht die täglichen Kontrollen an Motor und Rigg. Unsere Segelstellung mit zwei ausgebaumten Vorsegeln ist oft recht rollig, hat sich aber bewährt, weil das Reffen und Ausreffen so wunderbar einfach ist.

Hat man sich erstmal an alles gewöhnt, vergehen die Tage plötzlich schneller als erwartet. Trotzdem wünscht man sich immer das, was man gerade nicht hat: ein Frühstück bei dem man gleichzeitig Kaffee trinken und ein Brötchen essen kann. Unterwegs ist es schon anstrengend, gleichzeitig sich selbst und die Tasse mit heißem Kaffee auf dem schwankenden Boot zu sichern. An Teller, Messer, Brötchen, Butter, Marmelade und Ei auf einem reich gedeckten Tisch ist nicht zu denken… Auch nachts in der Koje werden wir ständig hin und her geworfen, während wir krampfhaft versuchen einzuschlafen und die wenigen Stunden zu nutzen, die uns bleiben. Immer öfter geht uns der Satz durch den Kopf „Segeln ist die teuerste Art unbequem zu reisen“. Aber so ist es nun mal. Wenn wir mit dem eigenen Boot die Karibik bereisen wollen, gehört auch die Anreise dazu.

Die langen Etappen sind nicht unsere Lieblingsstrecken. Wir müssen aber zugeben, dass es Momente gibt, die man nur hier auf dem Ozean erleben kann. Der Blick in die unendliche Weite, das tiefblaue Wasser.
Delphin-Besuch zum Frühstück oder kurz vor Sonnenuntergang.
Atemberaubende Wolkenformationen zum Sonnenauf- oder Untergang.

Noch nie haben wir den Mondaufgang so intensiv beobachten können und einen so gigantischen Sternenhimmel gesehen. Ein wunderbarer Moment, um Musik zu hören. Hier dudelt sie nicht nur im Hintergrund, sondern man kann richtig zuhören. Über Kopfhörer ist das Hörerlebnis nicht durch Windgeräusche beeinträchtigt und wir haben haben nach wenigen Nächten jeder unsere Lieblings-Nachtmusik gefunden.

Nach der Hälfte der Strecke von den Kapverden bis Barbados ist diese Ruhe jedoch vorbei. Nachts werden wir immer wieder von Sqalls gestört. Sqalls sind dicke Regenwolken, die oft eine Menge Wind unter sich haben. Wenn wir sie auf dem Radar erkennen, verkleinern wir die Segelfläche und wecken den anderen, sobald sie näher kommen. An einem Abend waren wir komplett von Regengebieten umzingelt, es sah beängstigend aus auf dem Radarbildschirm. Deshalb haben wir den Kurs drastisch geändert, um das Gebiet schnellstmöglich zu verlassen. Es ist ganz gut geglückt, trotzdem war das Boot nach dieser Regennacht sauberer als lange Zeit zuvor.

Nach 18 Tagen sind wir in der Carlisle Bay eingelaufen, haben uns im türkisen Wasser davon überzeugt, dass der Anker richtig eingegraben ist und erstmal richtig ausgeschlafen. Aufgrund der Sqalls war diese Atlantiküberquerung doch sehr viel anstrengender als die erste vor vier Jahren. Aber Boot (und Crew!) haben prima durchgehalten und scheinbar keine Schäden davon getragen.